Was ist Digitalisierung im Gesundheitswesen? Hebel, Werkzeug oder Hilfsmittel für bessere Versorgungsformen? Beim 19. BGF Gesundheitsforum in München wurde vielfach über Definitionen und Konzepte gesprochen. Die meisten Teilnehmer und Referenten, die sich professionell mit dem Thema auseinandersetzen, waren sich jedoch einig, dass es statt Theorie vor allem deutlich mehr Praxis bedarf. „Wir sollten uns nicht länger mit Definitionen des Begriffs ‚Digitalisierung‘ aufhalten, sondern die Anwendungen konsequent und vor allem nutzenorientiert in den Markt bringen“, appellierte Bernd Altpeter, CEO der Digitalen Gesundheitsgruppe (DGG), in den Gesprächsrunden.
Das Thema, das sich beim BGF 2019 wie ein roter Faden durch alle Panels zog, war: Wie kann im Labyrinth des Gesundheitswesens gleichermaßen die effektive Steuerung von Patienten und eine ausreichende Finanzierung der Leistungen und Investitionen sichergestellt werden – sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich? Eine häufige Antwort: Die Digitalisierung von Prozessen kann verkrustete Strukturen aufbrechen und diese effizienter gestalten. Der Gradmesser sei, dass Digitalisierung die medizinische Versorgung qualitativ besser machen muss – und nicht bloßer Selbstzweck sein darf. Im internationalen Vergleich müsse Deutschland aufholen, darüber herrschte weitgehend Konsens. Nur über das „Wie“ wurde kontrovers diskutiert.
Die Position der DGG dazu ist klar: „Statt ständig den Gesetzgeber zu fordern, müssen wir in Deutschland viel stärker nutzenorientiert denken“, konstatierte Bernd Altpeter. „Auch wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein hohes Tempo vorlegt, was vielfach kritisiert wird, entwickelt sich der Markt ohnehin deutlich schneller als die Politik. Unternehmen stellen schon heute innovative Lösungen bereit. Wichtig ist, diese auch sinnvoll und effektiv miteinander zu vernetzen – Insellösungen gehören nicht dazu“, so Altpeter weiter. Vielmehr könne die Digitalisierung dazu beigetragen, Sektoren und Schnittstellen zu reduzieren. So wie die Plattform TeLiPro, die als telemedizinische Disease Management Plattform für chronisch kranke Menschen direkt beim behandelnden Arzt angedockt ist. Der Arzt sowie interne oder externe Gesundheitscoaches, mit denen der Arzt zusammenarbeitet, beraten den Patienten zu Themen des Lebensstils und haben die vom Patienten über Bluetooth-Geräte übermittelten Daten in Echtzeit stets im Blick.
Jonas Sperling, Head of Data Science bei der medulife GmbH, einem Unternehmen der DGG, gewährte einen Blick in den Maschinenraum und führte beim Panel „(Digitale) Innovation“ aus, mit welchen Features TeLiPro aktuell weiterentwickelt wird. Neben einer Bilderkennung für Nahrungsmittel und einer Spracheingabe, soll mithilfe Künstlicher Intelligenz künftig vor allem das Coaching unterstützt werden. „Wir speisen pseudonymisierte Daten in die Plattform ein und können so immer detaillierter Rückschlüsse auf das Patientenverhalten schließen.“ Grundlage dafür ist ein aus dem Verhalten des Patienten geschaffenes digitales Abbild. „Spannend gerade bei chronischen Erkrankungen ist, dass wir von wiederholbaren Langzeitmustern sprechen, in denen es nicht viele Brüche gibt. Durch die Mustererkennung im digitalen Patientenverhalten werden dem realen Coach Hinweise gegeben, im Sinne von: ‚Pass auf, hier gibt es ein bestimmtes Muster, das darauf hinweist, dass sich das Verhalten in Zukunft ändern wird‘, beispielsweise in Bezug auf Bewegung.“ Der Coach kann dann eigenständig entscheiden, ob er darauf eingeht oder nicht.
Das Interesse an TeLiPro war in der anschließenden Fragerunde groß, insbesondere die Frage nach der Vergütung: Viele Krankenkassen, unter anderem die BKK Deutsche Bank oder die IKK Südwest, nehmen schon heute über einen Vertrag zur Besonderen Versorgung nach §140a SGB V an der Versorgung teil. So kommen die Leistungen in den Markt und werden für den Arzt abrechenbar.